Treffen des Netzwerks Elektromobilität in Rheinland-Pfalz im Werk von Mercedes-Benz Trucks in Wörth


Weltgrößtes Lkw-Werk von Mercedes-Benz, zweitgrößter Arbeitgeber in Rheinland-Pfalz, 2,9 Millionen Quadratmeter Fläche… Diese Superlative und natürlich die Neugier auf die Transformation der Nutzfahrzeugsparte zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen Treffens des Netzwerks Elektromobilität in Rheinland-Pfalz in den südlichsten Landeszipfel nach Wörth am Rhein. Organisatorin des Treffens war die Lotsenstelle für alternative Antriebe bei der Energieagentur Rheinland-Pfalz, die im Vorfeld mit den Gastgebern von Mercedes-Benz Trucks ein spannendes Programm zusammengestellt hatte.

Das weltgrößte Lkw-Werk von Mercedes-Benz steht in Rheinland-Pfalz

Los ging es mit einer gut zweistündigen Werksführung, vom weitgehend automatisierten Rohbau der Fahrerhäuser, über den Innenausbaus bis zur „Verlobung“ (Zusammenführung von Chassis und Motor) und „Hochzeit“ (Zusammenführung von Karosserie und Antriebsstrang). Ausführliche Hinweise zur Arbeitsmethodik und Arbeitssicherheit, zum Qualitätsmanagement und zu den Prüfständen ergänzten die Tour, die hautnahe Einblicke in die Produktion erlaubte. Etwa 400 bis 450 Lkw der A-Reihe (Atego, Arocs und Actros) in unterschiedlichster Ausführung rollen aktuell jeden Tag in Wörth vom Band. In Deutschland ist etwa jeder dritte Lkw ein Mercedes, in Europa etwa jeder fünfte. Erstaunlich ist die Vielfalt: Aus einer Million Möglichkeiten wird ein individuelles Nutzfahrzeug zusammengestellt. Auch Sondernutzfahrzeuge wie der Econic oder der Unimog werden in Wörth gefertigt, allerdings in einer separaten Halle.

Der „Elektrische“: Mercedes-Benz eActros made in Wörth

Die Gruppe hatte auch das Glück, auf dem Band die Fertigung eines eActros beobachten zu können. Der eActros ist aktuell der einzige batterieelektrische Lkw in der Mercedes-Benz Palette. Die Anzahl an produzierten Exemplaren ist derzeit noch überschaubar: Pro Woche bewegt man sich hier im unteren zweistelligen Bereich. An der Technik wird weiterhin intensiv geforscht und gefeilt. Ziel ist es, von den momentan verfügbaren 300 bis 400 Kilometern Reichweite (basierend auf Traktionsbatterien mit 336 bzw. 448 kWh Kapazität) auf 600 Kilometer in der nächsten Modellgeneration zu kommen. Mercedes-Benz setzt künftig auf Megawatt-Charging, aktuell laden die eActros noch mit 160 Kilowatt im CCS-Standard.

„Wir haben eine enorme Varianz an Produkten, die wir hier in Wörth fertigen. Die neuen eActros sind da noch eine zusätzliche Komponente, die wir in die Fertigungsprozesse integrieren mussten. Das gleiche gilt für künftige Lkw mit alternativen Antrieben. Nur weil wir uns dem Transformationsprozess hin zu klimafreundlichen Antrieben stellen und Produkte auf den Markt bringen, bedeutet das bisher nicht, dass auch nur ein Diesel-Lkw weniger gefertigt wird. Die Integration der alternativen Antriebe in unser Portfolio ist eine enorme Herausforderung“, so Dr. Andreas Bachhofer, Standortleiter in Wörth. Er hatte sich zusammen mit Thomas Neckenich, Leiter Facility Management und Werkstechnik, zum Ende des Netzwerktreffens noch ausführlich Zeit für die Gruppe genommen.


Vielfalt im Angebot – auch bei den alternativen Antrieben

Dr. Bachhofer präsentierte die internationale Aufstellung des Konzerns Daimler Truck AG mit seinen verschiedenen Marken und erläuterte die Strategie des Unternehmens im Hinblick auf alternative Antriebe. Bei Mercedes-Benz Trucks habe man sich ganz bewusst dafür entschieden, verschiedene Technologien zu erforschen und in die Anwendung zu bringen, je nach Einsatzgebiet der Fahrzeuge. „Auf den Verteilerstrecken mit kurzen Reichweiten, in den Innenstädten und Ballungsräumen liegen die Vorteile der batterieelektrischen Lkw auf der Hand. Beim Ferngüterverkehr fehlt Stand heute – und eine grundlegende Verbesserung ist noch nicht in Sicht – die Infrastruktur um lange Fahrten durch Deutschland und Europa rein elektrisch zurückzulegen. Die Herausforderung mit der Infrastruktur haben wir allerdings auch beim Wasserstoff“, so Bachhofer. Er ergänzte: „Bei Spezialfahrzeugen wie dem Unimog kommen wir allein wegen des begrenzten Bauraums um einen Verbrennungsmotor nicht herum. Daher experimentieren wir hier mit einem Wasserstoff-Verbrennungsmotor.“

Das Werk will bis 2030 CO2-neutral sein

Thomas Neckenich versetzte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Netzwerks in Erstaunen, als er die ehrgeizigen Pläne vorstellte, das 60 Jahre alte Werk in Wörth bis 2030 auf CO2-Neutralität zu bringen. „Und hiermit meinen wir nicht bilanzielle, sondern ‚echte‘ CO2-Neutralität – mit vor Ort erzeugter erneuerbarer Energie“, betonte er. Bereits heute beziehe das Werk ausschließlich zertifizierten Ökostrom. Gerne würde man mit eigenem Windrad in der Region einen Schritt weitergehen, befinde sich allerdings noch im Planungsprozess. Wo möglich, sind und werden Dachflächen mit Photovoltaik belegt, auch die ersten Solarcarports werden aktuell auf den Parkplätzen vorbereitet. „Allerdings ist unser größter Energieträger die Wärme, die wir für Fertigungsprozesse und das Beheizen der Werkhallen benötigen. Um hier Verluste zu vermeiden und Abwärme nutzen zu können, befinden wir uns in einem umfassenden Prozess kontinuierlicher Optimierung bei der Technik und an den Gebäuden. Da diese die Produktion nicht beeinträchtigen dürfen, geschieht sie Schritt für Schritt.“ Besonders spannend war der Ausblick auf das Tiefengeothermie-Projekt: Mit vier bis fünf Kilometer tiefen Bohrungen wolle man Erdwärme über Wärmetauscher in einem geschlossen und daher risikolosen Wasserkreislauf gewinnen. Die hohen Vorlauftemperaturen ermöglichten es, den kompletten Wärmebedarf des Werks aus dem Erdreich zu decken – und das kontinuierlich das gesamte Jahr über, so Neckenich.


Laden am und im Werk wird möglich

Bereits vor der Gesprächsrunde hatte die Gruppe Gelegenheit, am öffentlich zugänglichen Demo-Ladepark mit sechs Ladestationen mehr über die Pläne der Werksleitung in Sachen Ladeinfrastruktur zu erfahren. Aktuell laden dort die eigens produzierten eActros, bevor sie auf die Reise zu ihren neuen Besitzern gehen. Auch laufen bereits Pilotprojekte mit verschiedenen Zulieferern, die ihre Transporte nun teilweise auf batterieelektrische Fahrten umstellen. In der Diskussion offenbarte Neckenich, dass man aktuell in den Planungen sei, an jedem Abladepunkt im Werk Lademöglichkeiten einzurichten, sofern die Verweildauer länger als zehn Minuten sei – nur dann könne eine substanzielle Menge Strom getankt werden. Eine flächendeckende Megawatt-Ladeinfrastruktur aufzubauen, könne man sich aktuell rein netztechnisch nicht vorstellen.

Transformation in vollem Gange – in turbulenten Zeiten

Die Netzwerk-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern konnten sich bei der ganztägigen Exkursion in Wörth ein gutes Bild von der enormen technologischen und logistischen Leistung in der Nutzfahrzeugproduktion und der Leitung eines Produktionsstandortes machen. Zugleich traten die aktuellen Herausforderungen deutlich zu Tage: Konkurrenz aus Fernost, Lieferengpässe durch den Ukraine-Krieg, Energiekrise und Fachkräftemangel treffen aktuell auf die notwendigen Transformationsprozesse hin zu mehr Klimaschutz und Automatisierung im Güter- und Sonderverkehr und in der Produktion der Nutzfahrzeuge. „Die Industrie bringt – angeschoben durch gesetzliche Vorgaben – momentan die Modelle auf den Markt. Dennoch: Annähernd gleiche Produktionskosten für konventionelle und alternative Antriebe sind nicht in Sicht“, so Dr. Bachhofer auf Nachfrage. Auf staatliche Förderung von Mehrkosten bei den Fahrzeuganschaffungen seien die Nutzer der Fahrzeuge ebenso angewiesen wie auf einen verlässlichen Ausbau entsprechend dimensionierter öffentlicher Ladeinfrastruktur.

Netzwerk Elektromobilität in Rheinland-Pfalz: Fortsetzung folgt

‚Vollgeladen‘ mit Informationen, Eindrücken und guten Gesprächen untereinander und mit den Gastgebern und Gastgeberinnen des Tages traten die Teilnehmenden am Nachmittag den Heimweg an. Die Lotsenstelle für alternative Antriebe bedankt sich für das Interesse sowie für die Kooperation des Werks in Wörth und freut sich bereits auf das nächste Netzwerktreffen in 2024 an einem anderem Ort.