Kommunales Klimaschutzmanagement in Zeiten defizitärer Haushalte

Klimaschutzmanager Erneuerbare Effizienz Einsparung

Wie kann Klimaschutz in den Kommunen trotz angespannter Haushaltslagen vorangetrieben werden? Zu einer Diskussion darüber waren die kommunalen Spitzen der Region vom Beirat des Regionalbüros Mittelhaardt & Südpfalz am 9. April 2024 nach Bad Dürkheim eingeladen.  

In den vergangenen Jahren haben fast alle Landkreise, Verbandsgemeinden und Städte bzw. Gemeinden in der Region Personal für Klimaschutz eingestellt. Eine „Anschubfinanzierung“ für dieses Personal kommt vom Bund, der Klimaschutzstellen in den Kommunen fünf Jahre lang fördert. Das heißt, die Kommunen selbst tragen in dieser Zeit nur einen Teil der Kosten für das Personal. „Ziel ist es natürlich, die Stellen dauerhaft zu etablieren, weil der zügige Weg zur Klimaneutralität ohne einen Klimaschutzbeauftragten kaum zu schaffen ist“, so Isa Scholtissek aus dem Regionalbüro Mittelhaardt & Südpfalz.

„Wir hören aber häufig in Gesprächen mit den Klimaschutzmanagern, dass sie viel Arbeit in Rechtfertigungen für ihre Stelle stecken müssen, vor allem in den politischen Gremien. Welche monetären Vorteile, aber auch Potenziale für die Zukunftssicherung der Kommune im Klimaschutzmanagement stecken, ist noch viel zu wenig bekannt.“ So komme es, dass an einigen Stellen lediglich auf die Kosten für die Personalstelle geblickt werde, ohne die Einsparungen gegenzurechnen, und gegen eine Weiterbeschäftigung des Klimaschutzmanagers entschieden werde.

Klimaschutz versus „Pflichtaufgaben“

Schwierige Haushaltslagen bringen viele Kommunen zu der Frage: Wie können wir Klimaschutzmaßnahmen finanzieren, wenn wir doch andere Aufgaben haben, die im Gegensatz zu Klimaschutz Pflichtaufgaben sind und für die wir Gelder einplanen müssen?

Eine mögliche Herangehensweise sei es, die Betrachtungsweise etwas zu ändern, führte Dr. Christel Simon, bei der Energieagentur Rheinland-Pfalz zuständig für Klimaschutzcontrolling, aus. Klimaschutz koste weniger Geld als unterlassener Klimaschutz. „Die Kosten, die etwa durch Starkwetterereignisse wie Überschwemmungen entstehen, sind viel höher als Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen.“ Mit Personal für den Bereich Klimaschutz werde erkennbar mehr zur Treibhausgasminderung in den Kommunen unternommen als ohne, das heißt zweifellos mehr Klimaschutz betrieben.

Das Umweltbundesamt führt weiterhin Statistiken, laut denen pro Tonne verursachtem CO2 realistisch gesehen gesellschaftliche Folgekosten von mehr als 200 Euro pro Tonne veranschlagt werden müssten. Es sei also sehr sinnvoll, in Kommunen alles zu tun, um den Klimaschutz voranzutreiben – und auch in nichtinvestiven Maßnahmen schlummerten hier große Potenziale.

„Klimaschutz als Querschnittsaufgabe in der Verwaltung etablieren“

Klimaschutz strategisch in der Kommune in allen Abteilungen auf den Plan zu holen, da die Aufgaben aller Bereiche davon betroffen sind, sei auch unter monetären Gesichtspunkten geboten. Beispiele aus einigen Kommunen, wie ein CO2-Preis bei der Bewertung einzelner Maßnahmen einfließen kann, liegen bereits vor.

Lebenszykluskostenanalysen bei investiven Maßnahmen

Da die ADD bei finanzschwachen Kommunen strikt Maßnahmen streiche, die nicht Pflichtaufgabe seien, sei Klimaschutz in den Haushaltsberatungen kein Thema, wurde in der Diskussion als Hemmnis genannt. Allerdings wird bisher auch kaum mit der Aufsichtsbehörde ins Gespräch darüber gegangen, wie Klimaschutzmaßnahmen längerfristig gesehen Geld einsparen. Das wäre mit der Veranschlagung eines CO2-Preises möglich, bei investiven Maßnahmen wie beispielsweise einer neuen Heizungsanlage auch mit Lebenszykluskostenanalysen.

Waltraud Blarr, Beigeordnete der Stadt Neustadt an der Weinstraße, zitierte den Bundesverband der Deutschen Industrie: Je länger die notwendigen Investitionen hin zur Klimaneutralität hinausgeschoben werden, desto höhere Kosten werden sie verursachen, hat er bereits vor einigen Jahren konstatiert. Insbesondere bei der Bauleitplanung hätten die Kommunen Gestaltungsspielräume, führte sie aus, und mit entsprechenden Betrachtungen gesamter Lebenszyklen sollten Klimaschutzmaßnahmen auch aufgrund des Bundes-Klimaschutzgesetzes nicht von der ADD bzw. dem Rechnungshof beanstandet werden.

Beispiel: Stabsstelle Klimaschutzmanagement der kreisfreien Stadt Neustadt an der Weinstraße

Nach den Erfahrungen in Neustadt, die seit 2018 zwei Klimaschutzmanager beschäftigt hat, führte BO Waltraud Blarr Probleme und Lösungsansätze für die Etablierung von Klimaschutzmanagement in Kommunen aus. Eine große Chance seien Klimawirkungsprüfungen bzw. Klimachecks, mit denen allen Abteilungen aufgezeigt werden könnte, was möglich ist. Wichtige Punkte seien die regelmäßige Unterrichtung des Rates, Kooperation mit Vereinen, Verbänden und Bürgerschaft, aber auch Überzeugungsarbeit der anderen Abteilungen in der Verwaltung mit Blick auf Einsparpotenziale und Fördermöglichkeiten. Angst vor Mehrarbeit aus den anderen Abteilungen sei auch dadurch begegnet worden, dass die Beigeordnete selbst als Ansprechperson für Konfliktmanagement fungierte. Der Klimaschutzmanager sollte nicht der alleinige Ansprechpartner für alle klimarelevanten Themen sein, so Beigeordnete Blarr.

Im März 2023, nachdem die Förderung durch den Bund ausgelaufen war, richtete die Stadt Neustadt an der Weinstraße eine Stabsstelle Klimaschutz ein. Der Personalbestand war über die Förderung aufgebaut worden. „Die ADD würde einer Verstetigung sicher in keinem Fall widersprechen“, ist Blarr überzeugt.

Der Leiter der Stabsstelle Klimaschutz Marcel Schwill brachte noch eine andere Betrachtungsweise ein: Klimaschutz sei bereits eine Pflichtaufgabe „durch die Hintertür“, denn mit der Wärmeplanung, dem Energieeffizienz-Gesetz oder dem Flächenausbauziel für Windkraft und Photovoltaik bestünden bereits weitreichende Pflichten für Klimaschutzmaßnahmen.

Zukunftsfähige Kommune durch Klimaschutzmaßnahmen

Auch Kreativität des Klimaschutzpersonals führt in Neustadt dazu, dass das Thema Klimaschutz die Stadt prägt und Impulse für die Weiterentwicklung setzt. Das Klimaschutzmanagement hat den Cradle-to-cradle-Ansatz in das Konzept zur Bewerbung für die Landesgartenschau eingebracht. „Und dieser Aspekt spielte eine wesentliche Rolle dafür, dass die Stadt Neustadt an der Weinstraße die Landesgartenschau 2027 ausrichten darf“, konstatiert Waltraud Blarr.  

Zum Download der Präsentationen