5 Statements zum Ausbau der Windenergie

Der Geschäftsführer der Energieagentur Rheinland-Pfalz, Dr. Tobias Büttner, teilt seine Meinung zum Ausbau der Windenergie.

In unserer neuen Rubrik "Statements und Meinungen" stellen wir Fragen - Experten aus Praxis und Theorie antworten. Erfahren Sie so interessante Details zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Meinungen.

Zu Wort kommen Mitarbeitende unterschiedlicher Fachgebiete der Energieagentur Rheinland-Pfalz, aber auch Experten aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft teilen Ihr Wissen und Ihre Einschätzungen.

Den Auftakt macht unser Geschäftsführer Dr. Tobias Büttner zum Ausbau der Windenergie zum Jahreswechsel.

 

1.      Ist der Ausbaupfad für Erneuerbare Energien, wie er im EEG 2023 festgeschrieben wurde, stimmig?

Das EEG 2023 schreibt Ausbauziele von 400 GW für Solar PV und 160 GW Wind Onshore für 2040 sowie von 70 GW Wind Offshore für 2045 vor. Unter Zugrundlegung des zu diesem Zeitpunkt erwarteten technologischen Standes und, etwa bei Wind Offshore, des Verschattungsgrades aufgrund des dann bestehenden Ausbaustandes in Nord- und Ostsee, ergibt sich eine Stromproduktion von gut 1.100 TWh aus Wind- und Solar-PV-Energie. Aus heutiger Perspektive erscheint dies ausreichend, zumal es einer Verdoppelung der heutigen Stromproduktion in Deutschland entspricht.

Auch der Mix aus Solar-PV-Strom, der wiederum jeweils hälftig in Aufdach- und Freiflächenanlagen produziert werden soll, und Windstrom ist stimmig. Während bei Solar PV und Wind Onshore theoretisch noch höhere Ausbauziele gesetzt werden könnten, geht man bei Wind Offshore mit 70 GW installierte Leistung an die Grenze des aus heutiger Sicht sinnvoll Machbaren.

 

2.      Werden wir die Ausbauziele bei Wind Onshore erreichen? Tragen die Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene zur Beschleunigung des Ausbaus bereits Früchte?

Das Ausbauziel für Wind Onshore erscheint in der Tat als das anspruchsvollste. Hintergrund ist, das der Zubau an Windenergieanlagen in Deutschland vor einigen Jahren eingebrochen, und zumindest in den Südländern nicht wieder mit voller Kraft angelaufen ist. In 2023 werden bundesweit etwa 4 GW zugebaut werden – das liegt unter dem Ziel für dieses Jahr und insbesondere weit unter dem ab 2025 gesetzten jährlichen Ausbauziel von 10 GW.

In Rheinland-Pfalz erwarten wir Inbetriebnahmen von gut 120 MW in 2023, die sich mit einem Ausbauziel von 500 MW vergleichen. Das liegt etwas über den Zahlen der letzten drei Jahre, ist aber immer noch zu wenig. Allerdings liegen die Zuschläge  bei Ausschreibungen der Bundesnetzagentur für neue Anlagen mit Standorten in Rheinland-Pfalz in 2023 hochgerechnet bei über 400 MW, so dass ich Anzeichen für eine beginnende Trendwende sehe.

In der Tat wurden auf Bundes- und Landesebene gerade in den letzten beiden Jahren zahlreiche Maßnahmen für schnellere Genehmigungsverfahren initiiert. Beispielhaft sei hier der Natur- und Artenschutz genannt. Im Bundesnaturschutzgesetz wurde der Schutz der Einzeltiere hin zu einem Populationsschutz modifiziert. Die EU-Notfall-Verordnung hat überlagernd das Verfahren geändert mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung. Die Änderungen sind in der Sache durchaus überzeugend, nach meinem Kenntnisstand kann bislang aber noch nicht von einer Beschleunigung gesprochen werden. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Gesetzesänderungen in Deutschland erst dann die Rechtslage bestimmen und faktisch Wirkung entfalten, wenn sie gerichtlich getestet sind; in der Praxis dauert dies, zumal regelmäßig mehrere Instanzenzüge zu duchlaufen sind.

Auf Landesebene wurde beispielsweise in Rheinland-Pfalz die Zuständigkeit für die Genehmigungen von den Landkreisen auf die beiden Oberbehörden, die Struktur- und Genehmigungsdirektionen Nord und Süd verlagert. Die Änderung trat in der ersten Jahreshälfte 2023 in Kraft, sie umfasst allerdings nicht sog. Altverfahren. In der Praxis wird es somit einige Zeit dauern, bis sich hier ein Beschleunigungseffekt zeigt, selbst wenn die Anträge von den Oberbehörden wie intendiert durchschnittlich schneller verbeschieden werden.

 

3.      Bestehen auf kommunaler Ebene, auf der es letztendlich zum Bau der Windparks kommt, ausreichend Anreize?

Windparks, insbesondere größere Windparks, sind Infrastruktur-Großvorhaben, die die jeweilige Standort-Kommune in verschiedener Hinsicht fordern, von der politischen Ebene über die Kommunalverwaltung bis zu den Bürgerinnen und Bürgern. Das sollte man nicht kleinreden. Aber die Ansiedlung von Windparks auf dem Gemeindegebiet kann für die Gemeinde finanziell sehr attraktiv sein, gerade wenn die Windenergieanlagen auf gemeindeeigenen Flächen errichtet werden.

In Rheinland-Pfalz unterstützt das Land die Kommunen bei der Errichtung von Wind- und Solar-PV-Parks über die Landesenergieagentur von der Analyse der Ausgangslage, Fragen der Wirtschaftlichkeit, den planungsrechtlichen Grundlagen bis zur Abstimmung des Netzanschlusses mit den Netzbetreibern. Es kommt zu einer umfassenden inhaltlichen Beratung und Prozessbegleitung, bis zur jeweiligen Übergabe an einen Marktdienstleister.

 

4.      Macht es Sinn, dass südliche Bundesländer mit geringerer Windhöffigkeit vermehrt auf den Ausbau Solar PV und Wind Offshore-Stromimporte setzen?

Ja und nein. Zunächst kann ein weniger bei einer EE-Technologie natürlich mit einem mehr bei einer anderen ausgeglichen werden, d.h. beispielshaft ein Defizit bei Windenergie mit einem Boom bei Solar PV-Freiflächenanlagen. Aber hier gibt es Grenzen: Ein zu einseitiger Wind-Solar-Mix macht das Ganze ineffektiv.

Und grundsätzlich macht der Bezug von Strom aus der Nordsee für ein Binnenland mit hohem Industrieanteil durchaus Sinn; aber auch hier sollte man sich die Dinge differenziert betrachten. Die im Technologievergleich hohen Kosten für Erzeugung und Transport des Offshore Wind-Stroms in die Südländer sind ökonomisch im Grunde bis zu dem Punkt gerechtfertigt, dass eine Erzeugung vor Ort nicht in Betracht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der große Vorteil von Wind-auf-See gegenüber Wind-an-Land von im Ausgang 4.000 vs. 2.000 Volllaststunden bis 2040 auf 3.700 vs. 2.500 (als unterer Wert bei Wind-an-Land, etwa für Gebiete in Bayern südlich der Donau) reduziert; Hintergrund ist der bereits angesprochene technologische Fortschritt bei Windenergieanlagen an Land sowie Verschattungseffekte beim Ausbau der Windparks in Nord- und Ostsee.

 

5.      Wo zeigen sich konkret Grenzen eines einseitigen Wind-Solar-Mixes?

Im Rahmen eines Ländervergleichs hat sich kürzlich das Grundsatz-Team der Energieagentur Rheinland-Pfalz den Ausbaupfad für Wind und Solar PV in Bayern angesehen. Im Szenario E.Plan des Bayernplans 2040 der Forschungsstelle für Energiewirtschaft, der die Gegebenheiten in Bayern gut wiedergibt, kommt es zu einem leicht über dem rechnerischen Anteil am Bundesziel gemäß EEG 2023 liegenden Ausbau von Solar PV, die anteilige Zielgröße bei Windenergie wird jedoch nur hälftig erreicht. Das hat zur Folge, dass von den letzten fünf GW Ausbau Solar PV, die für grob fünf TWh Stromproduktion stehen, nur ein GW systemdienlich ist: Vier von fünf TWh der entsprechenden Stromproduktion werden abgeregelt, und gehen für das Energiesystem verloren. Dies führt auch zu Kosten in Höhe von 200 Millionen Euro, die als Netzentgelte die Stromkunden belasten, ohne dass die entsprechende Energie zur Verfügung steht.

Die einseitige Entwicklung beim Strom-Mix findet aktuell aber nicht nur in Bayern, sondern im Grunde in allen Südländern statt. Während die Ausbauzahlen für Windenergieanlagen auf niedrigem Niveau verharren, erleben wir einen Boom bei Solar PV – bundesweit wird es hier in 2023 zu einem Ausbau von um die 13 GW kommen, Rheinland-Pfalz wird das 500 MW-Ausbauziel um annährend 100 Prozent übertreffen. Die Auswirkungen werden sich zwar erst im weiteren Zeitablauf deutlich erkennbar materialisieren, sind aber jetzt schon absehbar.