Gemeinden bringen mit Wärmenetzen neue Nachhaltigkeit ins Ahrtal

Rolf Schmitt zeigt mit Stolz den entstehenden Neubau der Heizzentrale in Marienthal. Das Wärmenetz dort soll noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden.

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Landesregierung begleitet und unterstützt Projekte bei der Schaffung einer zukunftsfähigen Wärmeversorgung

Das große Ziel, im Ahrtal eine Vorzeigeregion für nachhaltige Wärme- und Energieversorgung zu schaffen, verfolgen weiterhin alle Beteiligten mit Nachdruck. Diese Botschaft stellte Michael Hauer, Staatssekretär im Mainzer Umweltministerium, nach einem mehrstündigen Arbeitstreffen mit Bürgermeistern und Kommunalvertretern in Rech besonders heraus. Zentrales Anliegen des Treffens von Landesregierung und Energieagentur Rheinland-Pfalz war, den Stand der insgesamt 14 bisher angeschobenen Wärmenetz-Projekten zu besprechen und dabei zugleich mögliche Hemmnisse im Projektfortschritt zu identifizieren und wo möglich auch Lösungen anzustoßen.

Gemeinde für Gemeinde ließ Moderator Paul Ngahan, Projektleiter Wärmewende bei der Landesenergieagentur, den jeweiligen Status vortragen. Dabei zeigte sich: Gemeinden, die frühzeitig und mit konkreten Betreibermodellen die Umsetzung von Wärmeverbünden angegangen sind, können schon bald auf eine nachhaltige Wärmeversorgung bauen. In Marienthal wird ein „klassisches“ Nahwärmenetz bereits zur kommenden Heizperiode in Betrieb sein; in vier weiteren Gemeinden werden die Vorarbeiten derzeit mit Nachdruck vorangetrieben: Ebenfalls „klassische“, also mit hoher Temperatur betriebene Wärmenetze sollen in Dernau und Mayschoß entstehen, „kalte Nahwärme“ ist für die Orte Rech und Altenburg geplant. Ebenfalls kalte Nahwärmenetze sollen in den Orten Müsch, Antweiler, Fuchshofen, Dümpelfeld, Insul, Schuld, Ahrbrück, Liers und Kreuzberg entstehen.

Bürgermeister anderer Gemeinden im oberen Ahrtal klagten hingegen über unklare Förderszenarien, schwer kalkulierbare Kosten für die Nutzer und teilweise nicht geklärte rechtliche Fragen – und wandten sich mit der Bitte um Unterstützung an den Vertreter der Landesregierung. Dies betrifft beispielsweise Fragen des Vergaberechts oder des Förderwesens. Staatssekretär Hauer und die Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Begoña Herrmann sagten die Prüfung aller auf Landesebene behandelbarer Fragen zu. Gemeinden, die beispielsweise zeitnah im Rahmen von bereits laufenden Straßenbauarbeiten Wärmeleitungen mitverlegen wollen, wurde empfohlen, zeitnah weitreichende Förderanträge zu stellen, damit die Landesregierung den von einzelnen Kommunalvertretern gewünschten „vorzeitigen Maßnahmenbeginn“ erteilen könne.

Schnelligkeit ist in vielen Orten aus zwei Gründen geboten: Ein zum Beispiel in Marienthal eingesetztes europäisches Förderprogramm, das ebenfalls für die Gemeinden Mayschoß, Rech und Dernau bereits im Februar in Aussicht gestellt wurde, setzt eine sehr knappe Frist für die Umsetzung bis Ende Juni 2023, die vor dem Hintergrund ungeklärter Fragen vielerorts voraussichtlich nicht zu halten ist. Das alternative neue Förderprogramm des Bundes, das stattdessen zum Einsatz kommen kann, hat jedoch eine zehn Prozent niedrigere Förderquote, was vielen Projektverantwortlichen große Sorgen bezüglich der Wirtschaftlichkeit bereitet. Staatssekretär Hauer erläuterte, dass dieses Programm aktuell eine Co-Finanzierung des Landes ausschließe, sein Ministerium sich jedoch kurzfristig mit der Bundesregierung in Verbindung setzen wird, um auszuloten, wie eine weitere Beteiligung des Landes aussehen kann. Er brachte aber auch klar zum Ausdruck, dass das Land nicht die Möglichkeiten hat eine Förderung der vielen Netze in alleiniger Finanzierung zu stemmen.  

Grundsätzlich wurde dieser Einschätzung auch aus dem Kreis der Bürgermeister zugestimmt. „Wir waren zu lange in der theoretischen Grauzone“, äußerte einer von ihnen selbstkritisch, „wenn zu lange nichts Sichtbares passiert, springen die Leute ab.“ Und Begona Hermann, widersprach in diesem Zusammenhang ausdrücklich der These, allein der Preisvergleich zwischen fossiler und nachhaltiger Wärmeversorgung wirke aktuell überzeugend auf potenzielle Teilnehmer an Wärmeverbünden: „Das ist auch eine Grundsatzentscheidung“, argumentierte sie, „der Abschied von fossilen Brennstoffen bedeutet auch eine größere Preissicherheit – das haben uns die Ereignisse in der Ukraine sehr deutlich gemacht.“ Man unterschätze die Menschen in der Region, wenn man ihnen allein den Blick auf den aktuellen Preis pro Kilowattstunde als Entscheidungskriterium unterstelle. „Jedem ist bewusst, dass Preisangaben von heute schon morgen ganz anders aussehen können“, so Hermann. Staatssekretär Hauer erläuterte in diesem Zusammenhang nochmals anschaulich, dass eine 50 prozentige Förderung einer solch langlebigen Infrastruktur auf Basis Erneuerbarer Energien für die betroffenen Familien vor Ort langfristig den wesentlich größeren Vorteil bringen kann, als eine mit 80 Prozent geförderte Gas- oder Öltherme. Dies würde auch durch die aktuellen Preisentwicklungen auf den Energiemärkten überdeutlich.

Die Bereitschaft der Menschen im Ahrtal, sich mit der Aussicht auf eine dauerhaft umweltverträgliche Versorgung einen weiteren Winter über mit Notlösungen zu behelfen, beschreibt Paul Ngahan von der Energieagentur Rheinland-Pfalz als „eindrucksvoll und sehr ermutigend“. Ngahan ist seit nun gut einem Jahr ständig in den flutgetroffenen Gemeinden unterwegs. Gemeinsam mit einem Mitarbeiterteam hilft er nicht nur dabei, die Realisierung von Wärmenetzen voranzutreiben, er informiert zudem über Fördermöglichkeiten.

Um dem Beratungsbedarf dauerhaft fachkundig begegnen zu können, hat die Energieagentur Rheinland-Pfalz Personal abgestellt für ein Zukunftsbüro im Ahrtal, angesiedelt bei der Kreisverwaltung in Ahrweiler. Dieses spezifische Angebot wird von der Landesregierung finanziell gefördert. Allerdings wurde auch ganz klar, dass dies alleine nicht reicht. Die Energieagentur Rheinland-Pfalz hat in Zusammenarbeit mit den technischen Planern und den betroffenen Ortsgemeinden daher besprochen, vor Ort Multiplikatorenschulungen umzusetzen, so dass die Bürger von geschulten Mitbürgern auf Basis einheitlicher und einfacher Planungsinstrumente zügig in der Breite direkt beraten werden können. Für die bisherige Planungsunterstützungen wurden dem Büro Schäfer, dem Geschäftsführer der EDG Energiedienstleistungsgesellschaft Rheinhessen-Nahe, Christoph Zeis, Professor Thomas Giel von Hochschule Mainz sowie Johannes Pinn von der Energiegenossenschaft EEGON ausdrücklich von allen Beteiligten gedankt.

Eckpunkte eines energetisch nachhaltigen Zukunftskonzeptes für den Landkreis Ahrweiler werden derzeit von Kreisverwaltung und Politik vor Ort erarbeitet. Die Landesenergieagentur wirkt in diesem Prozess als zentraler Beratungspartner mit. Das Einbinden vielfältiger kluger Ideen und konzeptioneller Vorschläge sowie umfassende Bürgerbeteiligung sind als feste Bestandteile dieser Entwicklungsarbeit eingeplant. 

„Die Vision einer besonders auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ausgerichteten Region Ahrtal ist nur als gemeinschaftliche Anstrengung von Kreis, Kommunen und Bürgerschaft zu verwirklichen“, betont Dr. Tobias Büttner, seit dem 1. Juli 2022 Geschäftsführer der Energieagentur Rheinland-Pfalz. „Viele Menschen hier wünscht sich einen Neuanfang, der klimagerecht und umweltverträglich ihre Region zukunftsfähig macht – diese Chance muss unbedingt genutzt werden!“