Klimaschutzmanager:innen diskutieren mit Harald Welzer

Online-Diskussion mit Harald Welzer über Klimakommunikation und Zielgruppenansprache

Der Sozialpsychologe und Soziologe Professor Harald Welzer diskutiert gewöhnlich eher in Fernseh-Talkshows oder bei wissenschaftlichen Fachsymposien mit Kolleg:innen aus der Wissenschaft oder mit Politiker:innen. Um den oft vermissten Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis im Klimaschutz zu ermöglichen, hatte die Energieagentur ihn nun zu einem Dialog mit rheinland-pfälzischen Klimaschutzmanager:innen eingeladen.

Menschen orientieren sich in ihrem Handeln eben NICHT an rationalen Gründen, und die Versuche, mit Fakten aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer Umstellung ihrer Verhaltensweisen zu motivieren, scheiterten bereits seit 30 Jahren, führte Harald Welzer in seinem Impulsvortrags zu Beginn der Veranstaltung aus. „Nur, weil man Gründe hat, ändern Leute ihr Verhalten nicht, denn die Menschen sind mit so vielen anderen Dingen beschäftigt. Die einzigen, die sich für dein Anliegen interessieren, sind erstmal du selbst und deine Oma, die alles interessiert, was du machst.“

Übersättigung mit Klimaproblematik

Mit der Schilderung des Problems, dass wir die Erderwärmung zwingend begrenzen müssen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten, lasse sich keinerlei Aufmerksamkeit mehr erzeugen. „Das, womit man versucht, Aufmerksamkeit zu erzeugen, weiß schon jeder“, so Welzer. Nicht einmal die Ahrtal-Katastrophe, bei der erst vor gut einem Jahr, Mitte 2021, Naturgewalten in Folge des Klimawandels Lebensgrundlagen vernichteten und Menschen in den Tod rissen, habe eine kommunikative Wirkung gehabt – die Öffentlichkeit sei bereits zu sehr an Katastrophenmeldungen gewöhnt und leite daraus keine Handlungsänderungen ab.

Übertragen auf kommunales Klimaschutzmanagement, das eben auch Menschen zu Handlungsänderungen motivieren soll, bedeute das vor allem einen Fokus auf die Kommunikation. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken“, beschrieb Harald Welzer ein einfaches Bild. Es sei notwendig, sich in die Situation der Kolleg:innen hineinzuversetzen und die Ansprache entsprechend anzupassen. Dasselbe gelte auch für andere Zielgruppen.

Positive Botschaften und Finden gemeinsamer Anliegen als Schlüssel

Widerstand gegen bestimmte neue Herangehensweisen, die Klimaschutzmanagements in den Kommunen vorschlagen, entstehe aus den subjektiven Perspektiven der Menschen. „Wenn jemand an der Tür klingelt und über Gott sprechen möchte, wehrt man das ja auch erstmal ab“, überspitzt Welzer und verdeutlicht die subjektive Wahrnehmung. Möglichkeiten, gemeinsame Wege zu finden, gebe es dennoch:

  • Etwas finden, bei dem das Interesse der Adressaten mit dem eigenen Interesse übereinstimmt. „Um die Ecke denken.“
  • Bündnisse schließen: „An dieser/jener Stelle sollten wir etwas gemeinsam machen.“
  • Paradoxe Intervention: Das was man will, niemals deutlich kommunizieren. „Situationen unterbrechen“. Bsp: Wissen Sie eigentlich, was ich mache? – Sehen Sie, ich weiß auch nicht, was Sie machen.

In jedem Fall sollte man Probleme nicht personalisieren, also auf sich oder andere direkt beziehen, denn (meistens) seien sie objektiv.

Klimaschutz als Sekundärnutzen bei Veranstaltungen

Die teilnehmenden Klimaschutzmanager:innen konnten dann im direkten Gespräch mit Harald Welzer verschiedene Anregungen für ihre konkrete Arbeit mitnehmen. Ein zentraler Tipp: Bei Veranstaltungen gleich im Titel auf die Klimaproblematik hinzuweisen, vermittele auch gleich eine „spaßfrei-Komponente“. Zielführender sei es, eine tolle Veranstaltung, Festival etc. zu organisieren, zu der die Menschen gerne kommen, weil sie Spaß dabei haben. Der Sekundärnutzen könne die CO2-Absenkung sein bzw. die Leute könnten bei der Veranstaltung nebenbei vermittelt bekommen, dass es sich bei der Veranstaltung um eine „grüne“ Veranstaltung handelt. „Dann nehmen die Besucher mit: Eigentlich sind diese Leute ganz okay, auch wenn sie Klimaschutz betreiben.“

Weitere Diskussionspunkte waren die Ansprache von Unternehmen, die aktuelle Verdrängung des Themas Klimaschutz aus der öffentlichen Diskussion sowie die Rolle der Scientists for Future und damit verbunden der mögliche Ausbau der Zusammenarbeit zwischen den Klimaschutzmanager:innen und Wissenschaftler:innen.

„Vieles machen die Kommunen schon richtig, und darauf können wir aufbauen!“

Die Diskussion zwischen Klimaschutzmanager:innen und Harald Welzer gab viele neue Impulse. Eine Erkenntnis sei aber auch, dass etwa beim STADTRADELN genau das Motto: „Für Aktionen, die Spaß machen, begeistern, und Klimaschutz-Themen mit einflechten“ vielerorts in Rheinland-Pfalz umgesetzt werde und man darauf aufbauen könne, zog die Energieagentur ein Fazit.