Bad Ems beheizt sein Rathaus klimafreundlich - mit Grubenwasser

Das Bad Emser Rathaus wird als erstes öffentliches Bestandsgebäude in Rheinland-Pfalz seit 2018 klimafreundlich mit Erdwärmeheizung beheizt. Wir haben dazu mit Nico Hickel, Klimaschutzmanager der Verbandsgemeindeverwaltung Bad Ems-Nassau, über dieses Projekt mit Pioniercharakter gesprochen.
 

Das Rathaus in Bad Ems wird seit einem Jahr mit warmem Wasser aus dem ehemaligen Stadtstollen beheizt. Wie genau funktioniert das?

Bad Ems ist eine historische Bergbaustadt. Seit  dem Ende des aktiven Bergbaus 1945 fließt u.a. warmes Grubenwasser aus dem Berg in den Emsbach und von dort in die Lahn. Die ganzjährige Wasserwärme von etwa 25°C wollten wir nicht ungenutzt lassen. Nun wird die Wärme durch einen speziellen Wärmetauscher im Stollen aufgenommen. Diese wird in einer kalten Nahwärmeleitung in das ca. 200m entfernte Rathaus transportiert. Dort bringt eine hocheffiziente Wasser-Wasser-Wärmepumpe, die mit Ökostrom betrieben wird, die Temperatur auf etwa 55°C. Nun können die Diensträume des Rathauses aus erneuerbarer Erdwärme beheizt werden.  Laut den Berechnungen, die wir zusammen mit der Transferstelle Bingen (TSB) durchgeführt haben, sparen wir durch die Umstellung  jährlich bis zu 80 Tonnen CO₂ im Vergleich zu einer Beheizung durch Erdgas. Damit sparen wir jährlich so viel CO₂ ein, wie durch einen mittelgroßen PKW mit täglicher Fahrstrecke von 40 km in 53 Jahren emittiert würde (Quelle).
 

Das Rathaus wird als erstes öffentliches (historisches) Bestandsgebäude in Rheinland-Pfalz mit solch einer Erdwärmeheizung beheizt. Wer hatte die Idee zu diesem innovativen Pilotprojekt?

Vor rund 20 Jahren wurden erste wissenschaftliche Studien zur Nutzung der warmen Gruben- und Thermalwässer durchgeführt (z.B. die Potenzialanalyse durch Herrn Professor G. Wieber). Ungefähr fünf Jahre später gab es dann konkrete Überlegungen, das warme Wasser für das Rathaus zu nutzen. Ab 2002 wurden diese Überlegungen unter anderem von dem damaligen Bürgermeister Josef Oster mit einem langen Atem immer wieder aufgegriffen und vorangebracht. 2015/2016 wurden dann erste konkrete Machbarkeitsanalysen getätigt. Dabei wurden entsprechende Fachplaner (Gebäudetechnik-Ingenieure, Geologen, wiss. Begleitung) einbezogen. Am 27. Januar 2016 erhielten wir die Zusage des Landes das Bauvorhaben mit 50 % und die wissenschaftliche Begleitung mit 80% zu fördern. Das war auch der offizielle Projektstart. Erste Baumaßnahmen an der Gebäudetechnik im Rathaus fanden schon 2016 statt, die Baumaßnahmen im Stollen begannen im Spätsommer 2017. Alle Maßnahmen waren dann Mitte Dezember 2017 abgeschlossen. Offiziell wurde die Heizung dann im Beisein von Herrn Staatssekretär Griese Anfang Februar 2018 in Betrieb genommen.
 

An welchen „Vorbildern“ hat man sich dabei orientiert?

Direkte „Vorbilder“ gab es so keine. Die Technik an sich ist schon erprobt und bekannt. Einzigartig in Rheinland-Pfalz ist jedoch unsere Konstellation: die „kalte Nahwärme“ aus hochmineralisiertem Wasser beheizt ein historisches Bestandsgebäude mit knapp 3.000 qm Netto-Grundfläche. Aus diesem Grund wird das Vorhaben auch bis Ende 2019 wissenschaftlich begleitet.
 

Wäre so eine Beheizung auch für andere Alt-Bergbaustandorte in Rheinland-Pfalz denkbar?

Die TSB hat u.a. ein Messkonzept erstellt und führt Messungen durch. Die Erkenntnisse daraus werden auswertet, um diese auf mögliche weitere Standorte im Land übertragen zu können. Erste Interessensbekundungen an den Ergebnissen gab es bereits von verschiedenen Unternehmen und dem Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB).
 

Welche Herausforderungen gab es?

Im Gegensatz zu anderen Wärme-Projekten wurde in diesem Fall ja nicht auf Industrie- oder Abwasserwärme gesetzt, sondern auf Wärme „unter Tage“.  Somit mussten im Vorfeld verschiedene Auflagen und Anforderungen des deutschen Bergrechtes erfüllt werden: Hauptbetriebspläne, Brandschutzpläne und Artenschutzgutachten mussten erstellt werden. Es musste sogar ein Bergwerksdirektor benannt werden. Und noch vieles mehr.

Außerdem musste politische Überzeugungsarbeit geleistet werden. Damit alle Beteiligten mit Überzeugung und gutem Gewissen eingebunden sind. Und somit auch gegenüber den Unternehmen, den Bürgern und anderen Kommunen eine Vorbildfunktion einnehmen können.

Bei der späteren Umsetzung des Projektes, welches eben doch an sehr vielen Ecken keine „Anlage von der Stange“ ist, waren kompetente und erfahrene Fachplaner erforderlich. Gerade auch die geologischen Vorarbeiten und Ausarbeitungen der Wärmetauschertechnik unter Tage in dieser speziellen, heiklen Umgebung wurden durch lokal ansässige Ingenieurbüros äußerst präzise und zuverlässig durchgeführt und betreut.
 

Bemerken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Unterschied zwischen der alten und neuen Heizung?

Die rein technische Umstellung vom fossilen Energieträger Erdgas auf regenerative Erdwärme erfolgte quasi „über Nacht“. Von den zwei Bestands-Gaskesseln wurde einer komplett abgeschaltet und der zweite Kessel wird als Reserve-System bereitgehalten. Schon ab 2015 wurde zusammen mit den Gebäudetechnik-Planern die Vorlauftemperaturen im Haus sukzessive reduziert, um die Anlage auf einen niedrigeren Wärmevorlauf einzustellen.

Von Komforteinbußen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe ich bisher noch nichts gehört. Nur, dass der Heizungskeller jetzt kühler ist und die Reinigungsutensilien länger zum Trocken brauchen.
 

Für die klimaschonende Beheizung wurde die (damalige) VG Bad Ems¹ im bundesweiten Wettbewerb „Klimaaktive Kommune 2018“ ausgezeichnet und erhielt 25.000 Euro Preisgeld. Gibt es bereits Pläne für die Verwendung dieses Geldes?

Die Verwaltungsspitze hat sich dafür ausgesprochen, das Preisgeld im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes in den Bereich der Elektromobilität zu reinvestieren und damit den Ausbau der Ladeinfrastruktur in der  VG Bad Ems-Nassau voran zu bringen. Dies fördert nicht nur die Attraktivität unseres Tourismusstandortes. Auch wir vor Ort können alle davon profitieren. In der Verwaltung wollen wir daher unseren Fuhrpark teilweise auf Elektrofahrzeuge umstellen. Mit den ersten Umsetzungen wollen wir in der zweiten Jahreshälfte beginnen.
 

2017 wurde die (damalige) VG Bad Ems¹ von der Deutschen Energieagentur (dena) als Energieeffizienz-Kommune zertifiziert. Damit wurde die Etablierung eines Energie- und Klimaschutzmanagements (EKM) in der Verwaltung gewürdigt. Wie kommt der Klimaschutz dadurch bei Ihnen voran?

Durch die Teilnahme am dena-EKM-Programm konnten wir unsere Liegenschaften zielgerichtet energetisch bewerten und ein feinmaschiges Verbrauchs- und Kostencontrolling aufbauen. Daraus können wir nicht nur Fahrpläne für Sanierungen ableiten, sondern auch langfristig Kosten sparen.

Im vergangen Jahr haben wir die Sporthallenbeleuchtung auf LED umgerüstet und ineffiziente Elektrogeräte in Schulen und Kitas ausgetauscht. Für die nächsten Jahre stehen weitere Maßnahmen  auf der Agenda: eine aktive, innovative Öffentlichkeitsarbeit und die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an den Themen Energie, Klima und Umwelt. Aber auch die weitere Steigerung der Energieeffizienz in den Gebäuden und die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes. Außerdem tauschen wir uns weiterhin mit anderen Kommunen in Netzwerken aus. Es muss ja nicht jeder das Rad neu erfinden.

 

¹ 2019 erfolgte die Fusion der Verbandsgemeinde Bad Ems mit der Verbandsgemeinde Nassau zur neuen Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau.


Weitere Informationen:

Kurzfilm zum Projekt auf youtube

Projektsteckbrief im Energieatlas

Interview mit Lars Hilgert und Nico Hickel: "VG Bad Ems setzt auf Bürgerdialog beim Klimaschutz"

Website "Klimaschutz Bad Ems"